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Methoden und Techniken in der gestalttherapeutischen Praxis

Methoden und Techniken in der gestalttherapeutischen Praxis Die Gestalttherapie ist ein vielschichtiger, ganzheitlicher und tiefgreifender psychotherapeutischer Ansatz, der seinen Namen von der Gestaltpsychologie erhalten hat. Sie beschäftigt sich  mit  der Erforschung des menschlichen Wahrnehmungsapparates.

Die Methodik der Gestalttherapie orientiert sich an dialogischen und feldtheoretischen Herangehensweisen sowie phänomenologischen und existentialistischen Grundlagen. Im Vordergrund steht immer die empathische und tragfähige Beziehung zwischen Klient und Therapeut, die alle Aspekte des menschlichen Lebens umfasst, wie Fühlen, Denken, Kreativität, Frustration, Ärger. Diese Aspekte dürfen und sollen auch Raum haben und benannt werden dürfen. Der Fokus der therapeutischen Arbeit gilt  dem Hier und Jetzt des Menschen  im Austausch mit der Umwelt. Vergangene Erlebnisse sind nur insofern bedeutsam, wie sie das aktuelle Befinden durch Erinnerungen oder automatisierte Verhaltens- und Erlebnisweisen steuern und beeinflussen. Diese Erlebnisweisen werden ins Jetzt gebracht, um sie zu „erforschen“, nicht zu besprechen. Die Sinne und die damit verbundene originäre Erfahrung des Menschen, aber auch seine Verantwortlichkeit, sind Kernstücke gestalttherapeutischen Wirkens.

„Wenn ich mir die Welt so konstruiere …, das ich nur eine Alternative habe, dann bin ich nicht verantwortlich für diese Alternative, aber ich bin verantwortlich dafür, dass ich mir die Welt so konstruiert habe.“(Portele, 1992, 209)
Ziel aller gestalttherapeutischen Interventionen  ist es in diesem Sinne,  die Wahrnehmungsfähigkeit zu stärken, zur Integration abgespaltener Persönlichkeitsanteile  beizutragen oder die Handlungsfähigkeit zu erweitern.

Die nun folgenden Techniken lassen sich aus den oben genannten Methoden ableiten, müssen ihnen genügen und bedingen die von Präsenz, Zugewandtheit und Authentizität geprägte Haltung des Therapeuten.


Die Arbeit mit dem leeren Stuhl
Ein leerer Stuhl wird im Raum platziert und soll stellvertretend Personen, Gefühle, Rollen oder andere relevante Anteile aus dem  Leben des Klienten repräsentieren. Der Klient nimmt auf dem leeren Stuhl Platz und versetzt sich in die angenommene Person, das beschriebene, problematische Gefühl, oder anderes. Es können auch mehrere Stühle eingesetzt werden. Ziel kann eine Intensivierung der Gefühle sein, aber auch das Einnehmen der Perspektive des anderen, aus der dann auch gesprochen wird. Es wird ein Erleben gefördert, dass es dem Klienten ermöglicht, eine Distanz zu sich und dem Objekt herzustellen und dadurch die Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

Beispiel:
Klientin X. hat Probleme mit ihrer Vorgesetzten B. Ich hole den leeren Stuhl für Frau B. hinzu und bitte Frau X. sich auf den leeren Stuhl zu setzen und in der Rolle von Frau B. mit ihr einen Dialog zu beginnen. Obwohl Frau X. eher kritisch auf diese Situation reagiert  und meint, sie habe schon genug Verständnis für ihre Vorgesetzte aufgebracht, setzt  sie sich auf den Stuhl und kann sich direkt und leicht in die Rolle einfühlen. Es ist  erstaunlich zu sehen, wie flüssig sie  aus deren  Position die Beziehung beschreiben kann. Nachdem Frau K. wieder ihren eigenen Platz einnimmt, wird deutlich, dass sie nun ein Verständnis für das gesamte Feld entwickeln kann und  so  die Möglichkeit hat, sich von den Intentionen der Vorgesetzten zu distanzieren. Im weiteren Verlauf können eigene Gefühlsanteile angenommen und zugrundeliegende selbst abwertende Tendenzen deutlich werden.


Einsatz kreativer Medien
Viele unterschiedliche Medien können in der gestalttherapeutischen Arbeit zum Einsatz kommen: Skulpturen; Familienbrett,  Modellieren, Malen, Bewegung, Klang etc. Bei dem Einsatz dieser Medien geht es nicht um ein künstlerisch wertvolles Ergebnis, sondern darum, seelische und emotionale  Prozesse auf einer anderen als der gewohnten Ebene sichtbar zu machen und auszudrücken. Hier geht es um die Steigerung der Selbstwahrnehmung.

Beispiel: Ich arbeite gerne mit dem Familienbrett und lasse Klienten die problematischen Komponenten des Erlebens oder der Situation aufstellen.  Es geht dabei nicht so sehr um die Deutung des sichtbaren, sondern eher um das, was sich  emotional beim Klienten entwickelt. Fragen wie: „Was fühlst, wenn Du diese Situation siehst? Betrachte die Aufstellung aus der Distanz und spüre nach!“, ergeben oftmals eine gute Basis für weiteres Explorieren. 


Bewusstseinskontiuum/Wahrnehmungsübungen
Das Erleben  lässt sich in drei Zonen gliedern: die Wahrnehmung der äußeren und die der inneren Welt und die  Wahrnehmung, die sich  im Rahmen der Phantasie bzw. kognitiver Prozesse abspielt. Die Wahrnehmungssteigerung   und die Wiederherstellung der Fähigkeit zur Wahrnehmung sind Kernstücke gestalttherapeutischen Arbeitens und werden durch eine Reihe von Übungen angeleitet.

Beispiel:
Paarübung: „Achten Sie auf Ihre momentane Wahrnehmung. Und sagen sie Ihrem Gegenüber, was Sie wahrnehmen: jetzt nehme ich wahr, dass…. Sie werden bemerken, dass Sie immer irgendetwas wahrnehmen, je öfter Sie diesen Satz sagen. Sie werden bemerken, wie sich mit jedem Satz ihre Wahrnehmung vertieft. Nach fünf Minuten wechseln Sie und Ihr Partner beginnt mit der Eigenwahrnehmung.“

Wahrnehmung steigern
Ziel ist es, mit  dem Klienten die eher automatisierten und unbewussten Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu erforschen.

Beispiele:
Die Gestik des Klienten wirkt eigenwillig, der Therapeut bitte den Klienten diese Geste zu wiederholen. Nachdem die Geste öfters wiederholt wurde, bittet der Therapeut den Klienten auf begleitende Gefühle zu achten.
Der Klient fasst sich, während es um seinen Arbeitsplatz geht, an den Hals und massiert ihn. Auf Nachfragen der Therapeutin, was er gerade mache, beschreibt er, wie er immer weniger Luft bekommt. Eine neue Kollegin sei eingestiegen mit einem großen Ehrgeiz. Sein eigener Platz wird eingeengt.
Es fallen dem Therapeuten Diskrepanzen im verbalen und non-verbalen Ausdruck auf. Die Klientin weint und sagt dabei, dass sie noch nie so glücklich gewesen ist. Es ist deutlich, dass dies keine Tränen des Glückes sind. Auf Nachfrage der Therapeutin wird die in der geschilderten Situation  verborgene  Abwertung der Klientin deutlich.

Kommunikation
Sprachliche Äußerungen des Klienten  werden hinterfragt, er wird gebeten, diese zu wiederholen, eventuell zu übertreiben  und damit deutlich ins Bewusstsein gerufen.

Beispiel:
Der Klient übergeht eine Stelle, die dem Therapeuten wichtig erscheint und spricht schnell weiter. Der Therapeut fragt nach, ob er den Satz wiederholen kann und dabei ganz langsam sprechen kann. Es wird gefragt, ob während des Sprechens des Satzes irgendwelche Gefühle auftreten.

Phantasiearbeit/Phantasiereisen
Die Phantasiearbeit dient dazu, neue Entdeckungen zu machen, gespeicherte Erfahrungen zu öffnen und  die eigenen Spielräume zu erweitern.
Beispiel: Gruppenübung: Zu Beginn wird empfohlen, sich hinzulegen, eine bequeme Körperhaltung einzunehmen und die Wahrnehmung auf das innere Geschehen zu richten. „Stell Dir vor, Du bist ein Baumstumpf/Haus/Fluss o.ä. Werde der Baumstumpf, was für eine Figur hast Du, welche Rinde, welche Wurzeln. Was widerfährt Dir?“ Anschließend erzählt jeder Teilnehmer seine Erlebnisse.

Identifikationen

Durch Identifikationen können ganz unterschiedliche Zustände, Träume, Handlungen, Gefühle vertieft und besprechbar gemacht werden. Der Klient wird gebeten, aus der Rolle des Identifikationsobjektes zu sprechen.

Beispiel:
 Klientin G. berichtet von einem Abend in einer Disco, in der sie sich wie hinter einer Mauer vorgekommen ist. Sie wird aufgefordert, aus der Sicht der Mauer zu berichten. Sie sei die Mauer. Die Klientin beschreibt: „ich schütze G., ich bin stark und kräftig, keiner kommt an mir vorbei.“Im weiteren Verlauf des Gespräches können  die Schutzbedürftigkeit der Klientin wie auch die zu geringe Unterstützung in der Kindheit Thema werden.  

Traumarbeit
Zur  Arbeit mit Träumen und Anteilen von Träumen werden besonders die oben erwähnten Identifikationen eingesetzt.

Körperarbeit

Die Gestalttherapie hat eine ganzheitliche Ausrichtung und bezieht den Körper in diesem Sinne vollkommen mit ein. Der Körper hat alle relevanten Erfahrungen gespeichert und kann diese mit guter Unterstützung abrufen. Symptome wie: Herzklopfen, Schweißausbrüche, Atemprobleme…  können deuten darauf hin, dass etwas gesehen werde will, was bis jetzt keinen Raum hatte. Der Gestalttherapeut ist aufmerksam für Oberflächenphänome, wie geringfügige Kontraktionen des Kiefers, Veränderung des Rhythmus beim Atmen, kleine Gesten. Es geht darum, auf den Körper hören zu lernen und nicht ihn zum Schweigen zu bringen.

Beispiel:
Achtsamkeit und Gewahrsein zu vertiefen, ist  ein grundlegendes,   gestalttherapeutisches Anliegen. Mit Anleitungen wie: „Was spürst Du gerade? Spüre Deine Haltung! Deine Gesichtsfarbe hat gerade gewechselt, was spürst du, wie geht es Dir zurzeit?“ werden  die körperlichen Eindrücke in den Vordergrund geholt und besprechbar gemacht.

Ziel aller gestalttherapeutischen Techniken ist es, den Klienten/die Klientin dabei zu unterstützen, die inneren Mechanismen zu erkennen, durch die er/sie sich selbst blockiert und so neue, konstruktivere Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Das Einbeziehen von Techniken im gestalttherapeutischen Setting kann sich nur aus dem Kontakt der Beziehung zwischen Therapeut/in und Klient/in ergeben. Techniken sollten nie um ihrer selbst Willen eingesetzt werden, sondern nur, um Kontakt und Begegnung zu fördern.


Sigrid Budszuhn
Praxis für Gestaltpädagogik und Gestalttherapie Alte Laerfeldst.

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Bildquelle: © Petair - Fotolia.com

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